Buchmagazin Litherophilie, 31.10.2017

Litherophilie von Andreas Artur Reichelt veröffentlicht am 31.10.2017
 


Andreas Lukas: Nicht mit, aber auch nicht ohne

Der Autor Andreas Lukas hat mit seinem ersten belletristischen Werk einen Roman verfasst, den ich im Nachwirken des Gelesenen als »konsequent anders« bezeichnen möchte. Ein solches Attribut vergab ich bisher nicht, jedoch scheint es mir hier die einzig angemessene Bewertung zu sein.

Nehmen wir zunächst den Inhalt:
Der Verlag wirbt mit folgendem Text:
»Dieses Buch wird im Buch geschrieben. Ein raffiniertes Spiel mit verschiedenen Ebenen und Perspektiven, Traum und Realität, Motiven der Erinnerung mit Bezug zur digitalen Gesellschaft. Der virtuose Erzählstil und die fesselnde Sprachkraft ziehen den Leser in die Welt der Figuren hinein, die von intensiver Lebendigkeit sind.

Alexander Petermann hat in der Nacht einen ungewöhnlichen Traum. Zunächst will er sich nicht damit beschäftigen. Doch dann siegt die Neugierde. Hat er in der Nacht wirklich sein ganzes Leben nachempfunden, alle Facetten und Erlebnisse, alle Höhen und Tiefen? Gleich mit dem Frühstück will er beginnen mit dem Entziffern der vielleicht größten Geschichte seines Lebens – und sie niederschreiben. Am späten Abend ist die Geschichte fertig. Sie hat ihn in innere Landschaften, in bekannte und unbekannte Regionen, in Randzonen und in die Mitte des Lebens geführt, aber auch vor die Wunschliste an ein neues Ich gestellt. Und er ist klüger geworden an diesem einen Tag, viel klüger. Wie der Beginn von …«
Ein thematischer Inhalt, den man nicht oft findet, soviel steht fest. Anders also. Um der Handlung nicht die Wirkung zu nehmen, möchte ich dazu nicht mehr viele Worte verlieren. Jedoch wird es interessant sein, die Umsetzung dieser Handlung etwas näher zu beleuchten.

In welche äußere Form wurde der Roman gepackt?
Nun, gerade hier hat mich dieses Buch zum ersten Mal überrascht. Als Hardcover mit Schutzumschlag und Efalinkaschierung, angenehmer Papierqualität und Fadenbindung(!) kommt es nicht in der üblichen Billigproduktion daher. Schön! Auch der Buchsatz macht ein entspanntes Lesen möglich, da die Schriftgröße und Zeilenabstand sehr durchdacht sind. Optik und Haptik sind in jedem Fall sehr positiv zu bewerten. Wieder: Anders!

Was jedoch viel interessanter ist, ist natürlich der Schreibstil.
Hier treffen wir tatsächlich auf die größte Differenz zur Standard-Unterhaltungsliteratur. Herr Lukas benutzt eine Sprachform, die einen manchmal befremdet, manchmal mitreißt und oft verwundert. Einerseits benutzt er außergewöhnlich viele Adjektive. Der Text ist sehr bildgewaltig. Aber noch in anderer Hinsicht unterscheidet sich der Stil von der heutigen Unterhaltungsliteratur. Beispiele?
Nehmen wir mal die Seiten 22 und 23: Es findet sich tatsächlich ein Satz mit sage und schreibe 13 Kommas. Als Stilmittel genutzt, klar. Dennoch: Anders.
Noch ein Beispiel? Seite 20/21: Es finden sich innerhalb eines Absatzes 38(!) Wortwiederholungen mit dem Bestandteil »-leben«. Natürlich erneut ein Stilmittel und trotzdem anders.
Das Buch ist gespickt mit Anaphern und Alliterationen, mit Wortspielerein, in denen sich der Autor verliert und an denen er den Leser teilhaben lassen möchte. In vielen Fällen wird beinahe der Übergang von Epik zu Lyrik vollzogen. Von allen Komponenten dieses Werkes, die als »konsequent anders« zu sehen sind, sticht der Schreibstil besonders hervor.

Nun muss ich natürlich das Ganze bewerten. Was ich nicht in Form von Sternen tue. Kürzlich hatte ich bereits auf »Literophilie« verkündet, auf das Vergeben von Sternen zu verzichten, weil Kunst nicht auch noch der modernen Leistungsgesellschaft unterliegen darf. Sie muss sich frei entfalten dürfen, Kunst ohne Konkurrenzdenken sein dürfen.
In diesem Sinne:
Herr Lukas hat sich getraut, ein Buch zu schreiben, das weitab, weit weitab von moderenem, marktorientiertem Schreiben stattfindet. Einen Roman, der so sein sollte, wie er ist. Der endlich auch einmal so sein DARF, wie er ist. Darüber hinaus hat er den Mut besessen, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Und dafür zolle ich Respekt und hoffe auf viele weitere Autoren, die den Mut haben, »konsequent anders« zu schreiben.

Quelle: https://schriftsteller-andreas-reichelt.weebly.com/literophilie—mein-buchmagazin/andreas-lukas-nie-mit-aber-auch-nicht-ohne